Datum: 26.06.2017
Ort: Ulm, Beckers
Teilnehmer: Prof. Dr. Daniel Schallmo, Dennis Lettner
DL: Inwieweit macht es in Ihren Augen Sinn, als etabliertes Unternehmen anzufangen, etwas disruptiv entwickeln zu wollen?
DS: Ich denke das allerwichtigste ist, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Wenn der klassische Weg gewählt wird und inkrementell innoviert wird, dann ist es meistens so, dass das eigentlich alle in der Branche tun, das gehört zum täglichen Geschäft dazu. Aber ich denke gerade das Thema „disruptive Innovation“ sichert vielen Unternehmen natürlich zu, dass sie in Zukunft wettbewerbsfähig sind und auch erfolgreich sind und sich auch gegenüber den Mitbewerbern abheben können.
DL: Das habe ich in meiner Literatur-Recherche auch herausgefunden, bei uns ist das Over-Engineering sehr verbreitet. Als Beispiel kann Microsoft Word herangezogen werden, welches schon seit einer frühen Version die Anforderungen der meisten Kunden abdeckt aber trotzdem weiterentwickelt wird, wobei die neuen Funktionen einen immer kleineren Kreis an Nutzern tangieren, welche jene Features wirklich benötigen. Demgegenüber steht beispielsweise Google Drive und bietet kostenlos alle vom durchschnittlichen Nutzer einer Office-Anwendung benötigten Funktionen, und das in der Cloud.
DS: Ja genau, das ist auch bequemer. Genau.
DL: Inwieweit denken Sie ist es möglich, eine disruptive Innovation zu planen?
DS: Also planen kann man sowas glaube ich nicht, man kann nur die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine disruptive Innovation aufkommt, höher ist. Was meine ich damit: dass die Unternehmenskultur zunächst beleuchtet werden sollte, wenn möglich etwas offener gestaltet werden sollte, wenn sie denn zu geschlossen ist, das neue Ideen auch angenommen werden und auch vom Mitarbeiter, der diese eingebracht hat, weiterverfolgt werden dürfen, dass es eventuell einen Kreativraum gibt, wo man solche Ideen entwickeln kann und den Entwicklungsstatus liegen lassen kann und dann zu gegebener Zeit weiterarbeiten kann. Das heißt aber auch den Kunden zu befragen, den Kunden zu zentrieren in der Entwicklung, also dort Impulse zu gewinnen, den Kunden zu verstehen und eben natürlich auch Instrumente einzusetzen in dem ganzen Prozess, die helfen, disruptive Innovation zu betreiben. Man kann beispielsweise auch außerhalb der eigenen Branche schauen, was es dort noch für Ideen gibt.
DL: Clayton Christensen empfiehlt in seinem Werk „The Innovators Dilemma“, gerade die Produktentwicklung disruptiver Innovationen in eine eigene Organisationseinheit auszugliedern, wo auch kleine Erfolge sichtbar sind und als Erfolg gewertet werden können, auch wenn keine riesigen Umsätze generiert werden. Als Gegenbeispiel kann Kodak angeführt werden, für die die voraussichtlich geringen Margen der digitalen Fotografie zu minimal waren.
DS: Das passiert ist immer, wenn ich eine Status-Quo-Betrachtung mache und schaue: „Verdiene ich mit dem neuen Projekt Geld?“. Nein natürlich nicht oder vielleicht nicht genug. Es ist immer die Frage wie sich das denn weiterentwickeln wird und wie ich denn in Zukunft Geld verdienen kann. Man sollte da nicht nur den Umsatz als Größe nehmen, sondern das ganzheitlich betrachten und auch letztendlich die Marktentwicklung beleuchten.
DL: Inwieweit sollte man den Kunden in die Produktentwicklung einbeziehen?
DS: So früh wie möglich! Es geht darum, den aktuellen aber auch den zukünftigen Kunden letztlich im Auge zu behalten, Kontakte aufzubauen, ihn so früh wie möglich zu involvieren. Natürlich einerseits zu fragen was der Kunde benötigt, das ist der klassische Weg, aber auch zu fragen was den Kunden beschäftigt, wie sein Markt oder Unternehmen funktioniert und wo er eventuell Schwierigkeiten hat. Also wirklich ein Verständnis aufzubauen, so früh wie möglich, aber auch im gesamten Prozess, d.h. immer wieder zu spiegeln sind wir denn auf dem richtigen Weg? Passt das denn so was wir uns vorgenommen haben? Was könnte man denn noch anpassen? Also eigentlich ständig den Kunden an Board zu haben.
DL: Damit wären wir auch schon beim Design Thinking, wodurch ich auch auf Sie gestoßen bin. Auch andere Methoden wie das Customer Development konnte ich in der Literatur recherchieren, bei welchem ein Pivot verwendet wird wobei hinterfragt wird, ob man auf dem richtigen Weg ist, ob dieser verworfen oder angepasst werden sollte. Aber gerade auch der iterative Prozess des Design Thinkings ist meiner Ansicht nach wichtig, da gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen der durchlaufenen Iterationen in der nächsten Iteration eingebracht werden können.
DS: Und man bei Bedarf wieder einen Rücksprung macht, sich dabei Fehler eingesteht und zurück zu einem vorherigen Stand springt. Und das ist der große Unterschied zwischen dem inkrementellen Innovieren und dem disruptiven Innovieren. Das Inkrementelle ist immer sehr linear, stur, einen Schritt nach dem anderen und erst in die nächste Phase gehen, wenn man 150% erreicht hat. Dadurch teilweise sehr langsam, sehr restriktiv und das Disruptive, auch wenn man in das Design Thinking reingeht, ist eher das einfache umsetzen, Lücken zu identifizieren und im Nachhinein zu schließen und über das Tun die Erfahrung sammeln und nicht zu Beginn schon das perfekte Produkt zu haben, das ist so die Idee.
DL: Ich denke das ist gerade auch das Problem, welches man in etablierten Unternehmen hat, das man im Prinzip alles vorausplanen möchte und deshalb den linearen Weg wählt, die Phasen abgenommen werden und am Schluss ein fertiges Produkt hat.
DS: Und vor allem, wenn Budgets freigegeben werden müssen usw.
DL: Das entspricht auch dem Artikel „Big-Bang-Disruption“ von Larry Downes und Paul Nunes. Dort wird ausgesagt, dass das Fehlen von Budgetfreigaben zum „Unencumbured Development“ gehört und somit ein Teil der dort genannten „Three Devastating Features“ von disruptiver Innovation ist. Welche Erfolgskriterien muss eine disruptive Innovation aufweisen?
DS: Meinen Sie das Ergebnis oder wie ich dort hinkomme?
DL: Beides.
DS: Also Erfolgskriterien sind ganz klar die Unternehmenskultur, Freiraum für die Mitarbeiter zu schaffen in Form von Zeit, Geld und Raum. Dann die Tools zu kennen, den Markt zu kennen, den Kunden zu kennen, zu experimentieren, im Kleinen testen, also so viel wie möglich im Kleinen testen, mehrere unterschiedliche Dinge auszuprobieren, darüber zu lernen, das wäre für die Sicht der Entwicklung. Wann ist eine Innovation, eine disruptive Innovation, erfolgreich? Sie ist dann erfolgreich, wenn sie natürlich einen gewissen Markt bzw. Marktpotential hat, sprich wenn der Markt groß genug ist, um dementsprechend zu wachsen. Wahrscheinlich wird eine disruptive Innovation ganz am Anfang keinen großen Markt haben, siehe Kodak-Beispiel, aber es geht auch darum zu sehen, wie sich die Marktentwicklung die nächsten 2-5 Jahre darstellt und dann darauf aufbauend eine gewisse Prognose zu machen. Weiterhin ist es wichtig den Kunden zu binden, ihm echte Mehrwerte zu schaffen, deswegen auch die Kundenintegration, also den Kunden wirklich für das Produkt oder für die Dienstleistung oder für das Geschäftsmodell zu begeistern. Dann denke ich ist es möglich, eine erfolgreiche disruptive Innovation zu haben.
DL: Welche Methoden können benutzt werden, um die Erfolgskriterien in der Praxis zu erarbeiten?
DS: Wie meinen Sie das?
DL: Ich bin auf verschiedene Methoden wie Design Thinking oder auch Hackathon, welcher eine Möglichkeit ist um neue Sachen abseits der gewohnten Wege zu integrieren, oder Customer Development gestoßen.
DS: … oder auch Scrum/Agil usw.
DL: Genau, auch Scrum.
DS: Wenn Sie jetzt mal nur ins Design Thinking reingehen: Design Thinking ist ein Ansatz und im Design Thinking gibt es wiederrum verschiedene Methoden. Also Customer Experience Design, Customer Journey, sprich die Reise des Kunden zu mappen und dann zu überlegen, wo man hier ansetzen kann, dann Customer Empathy Map, um den Kunden zu verstehen, es gibt so viele unterschiedliche Methoden die man einsetzen kann. Wichtig ist, sich auf ein paar wenige zu fokussieren, also nicht alles zu machen, sondern ein paar wenige sich rauszusuchen, die einerseits zur Fragestellung passen, die andererseits aber auch zum Unternehmen passen. Sie kennen vielleicht Lego Serious Play, also wo mit Legosteinen bestimmte Strategien und Prozesse dargestellt werden. Das passt vielleicht nicht in jedes Unternehmen, also ist es auch ganz wichtig hier das Matching vorzunehmen. Also Fragestellungen auf der einen Seite und Anforderungen die sich daraus ergeben, aber andererseits auch die Kultur oder die Mitarbeiter entsprechend zu berücksichtigen. Diese also einerseits nicht zu unterfordern, andererseits nicht zu überfordern. Das ist das große Geheimnis.
DL: Wenn ich ein Konzept erstelle, dann kann sich also eigentlich erst in der Praxis wirklich zeigen, wie erfolgreich es ist und ob es Früchte trägt oder ob es im Nachgang angepasst werden muss, wo man noch justieren muss, welche Methoden man vielleicht austauschen muss oder welche man noch in das Konzept integrieren muss.
DS: Genau, so ist es.
DL: Durch die Literatur-Recherche bin ich auch auf die Canvas Modelle gestoßen, Business Model Canvas und Value Proposition Canvas. Denken Sie, dass diese auch dazu beitragen können, eine disruptive Innovation zu fördern.
DS: Ja gut, klar, das Value Proposition Canvas fokussiert sich auf den Kunden, also sprich man schaut wo drückt dem Kunden der Schuh, was macht ihn glücklich, welche Leistung kann man anbieten usw. Das ist ein Thema, welches sicherlich interessant ist und das Business Model Canvas ist praktisch übergeordnet, dann baue ich praktisch um die Value Propositions das Geschäftsmodell. Es gibt am Markt ganz viele unterschiedliche Modelle, es gibt da nicht das einzige oder einzig richtige, es gibt da auch wieder die Empfehlung meinerseits: wenn das Unternehmen groß genug ist, ein eigenes Modell entwickeln, das auf die Anforderungen des Unternehmens einfach passt. Und sowas hilft immer, weil ich viel visualisieren kann und weil ich viel im Team arbeiten kann, weil es auch eine Leistung von allen Beteiligten ist und nicht nur von einem und ich kann eine hohe Transparenz sicherstellen. Von daher würde ich sagen: ja sie sind geeignet, aber großer Hinweis: es sind nicht die einzigen, es gibt zahlreiche andere, die man da nutzen kann und die sehr hilfreich sind, um sowas zu entwickeln, genau.
DL: Was ich auch toll finde sind die multidisziplinären Teams. Wenn man diese aus dem Design Thinking oder dem Hackathon übernimmt und dann zusammen an einer großen Leinwand mit Post Its quasi die Gedanken fixiert und weiter daran arbeitet mit den verschiedenen Sichtweisen, die das unterstützen, denke ich, dass man tolle Ergebnisse erzielen kann, die man so im linearen Prozess, wenn eine Person das Konzept ausarbeitet, …
DS: … und dann ist es so, in so einem linearen Prozess, wenn es nur eine Person ausarbeitet ist es häufig so, dass die Akzeptanz dann sehr gering ist. Also stellen Sie sich vor Sie sind Mitglied eines Teams, der Chef kommt her und knallt das Konzept auf den Tisch und sagt das müssen Sie jetzt machen, null Akzeptanz. Sie werden es vielleicht machen, weil Sie es müssen aber Sie werden nicht dafür brennen. Und was wir ja immer versuchen ist, in den Workshops oder sonst wo, die Menschen zu motivieren und zu begeistern, ihnen klarzumachen „Du bist Teil des Projekts“ und nicht „Du musst jetzt irgendwas umsetzen was sich da jemand überlegt hat“.
DL: Das sehe ich auch so, ich merke das auch bei mir selbst. Wenn ich mich wirklich mit etwas identifizieren kann, gerade mit einem Projekt und darin Potential sehe dann habe ich Lust mich einzuarbeiten und dann macht man gerne auch mal „Extrameilen“, bleibt gerne mal länger im Geschäft oder eignet sich etwas Neues an. Ich denke, dass das ein wichtiger Teil ist.
DS: Genau.
DL: Aber denken Sie, dass durch die Kombination verschiedener Methoden, die wir auch schon erörtert haben, dann wirklich das Potential besteht ein disruptives Produkt zu entwickeln oder kann es dann auch Komplikationen geben, wenn ich die Methoden kombiniere oder finde ich so etwas dann auch wieder hauptsächlich in der Praxis heraus?
DS: Das ist einfach Learning by Doing. Also ich glaube die 100 prozentige Sicherheit wird man nie haben, aber, wenn man es nicht ausprobiert kann man auch nicht gewinnen, das ist wie bei allem anderen auch. Ich denke es ist einfach wichtig etwas zu bewegen, wie vorhin gesagt sich auf ein paar wenige Instrumente zu fokussieren, um die Organisation nicht zu überfordern, da es sonst einfach zu viel ist und sich da einfach nach und nach ranzutasten. Und dann sieht man auch welche Instrumente funktionieren und welche nicht und auch ruhig mutig sein, Dinge wieder zu verwerfen. Wir sind verliebt in Ideen und diese würden wir auch ungern wieder verwerfen aber da muss man dann auch sagen „Okay, ich schneide den Zopf ab und mache etwas Neues“, also da gehört auch viel dazu einfach mutig zu sein. ich sage die 100 prozentige Sicherheit gibt es nie. Es gibt sicherlich viele Unternehmen, welche disruptive Innovation betrieben haben und diese haben auch ein tolles Produkt entwickelt aber sind am Ende trotzdem gescheitert. Wir müssen uns davon verabschieden, die Sicherheit zu haben oder mit einer disruptiven Innovation immer erfolgreich zu sein, sondern was wir eigentlich machen müssen ist z.B. vom Markt herkommen und einfach die Idee vorantreiben und danach fragen wie wir damit Geld verdienen. Also das sollte nicht im Fokus stehen.
DL: Wann sollte dann angefangen werden, ein Geschäftsmodell dazu zu entwickeln? Also in welcher Relation stehen Geschäftsmodell und die Idee des Produktes?
DS: Es hängt davon ab was Sie entwickeln. Wenn Sie ein reiner Produktentwickler sind dann brauchen Sie kein Geschäftsmodell. Da haben Sie ein Produkt, welches Sie in einen bestehenden Kanal/bestehenden Markt einfach reingeben. Sobald es komplexer wird mit vielen Dienstleistungen die Sie mitanbieten usw. ist es natürlich sinnvoll, sich dann zu überlegen wie das Geschäftsmodell Drumherum aussieht. Aber auch hier sollte natürlich das Geschäftsmodell wieder zu den Kundenanforderungen passen und auch modular genug sein, um unterschiedliche Kundenanforderungen abzudecken. Was meine ich damit: Im Geschäftsmodell haben wir Kundensegmente, Kundenkanäle, Kundenbeziehungen usw. Nicht jedes Kundensegment möchte einen Onlinekanal haben, manche bevorzugen den persönlichen Verkauf. Also muss ich das entsprechend anpassen. Ich muss meine Kanäle anpassen, ich muss meine Prozesse hinten raus anpassen, ich brauche vielleicht andere Partner. Also das darf man nicht so linear sehen, sondern es ist auch dann wichtig zu schauen, wie dieses Geschäftsmodell integriert werden kann.
DL: Also würde sich das gerade auch in Form vom Business Model Canvas in einem iterativen Prozess anbieten, z.B. ergab die Produktentwicklung ein bestimmtes Produkt, dann kann im Team hinterfragt werden: „Was haben wir uns in der letzten Iteration überlegt, passt das noch? Kann oder muss eine Anpassung vorgenommen werden?“
DS: „… Wie sieht das Geschäftsmodell aus?“ Genau.
DL: Und das dann so weiter vorantreiben und auch die Value Propositions dann so immer wieder anpassen sodass ich man dort einfach sehr flexibel ist.
DS: Ja.
DL: Dann habe ich noch eine Frage: in Ihrem Buch „Design Thinking erfolgreich anwenden“ beschreiben Sie auch das Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter/für das Team. Inwieweit könnte dort die Kreativität noch weiter verbessern werden, also wie kann man die Teammitarbeiter maximal motivieren, ihre volle Kreativität…
DS. … also das kreative Umfeld darf man nicht unterschätzen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: ich war vor vielen Jahren zuständig für die Entwicklung von Unternehmensstrategien in einem Unternehmen und wir waren in Barcelona. Dort waren wir in einem tollen Hotel, hatten aber einen Konferenzraum im Untergeschoss. Draußen war Sonnenschein, das Team war nicht sonderlich motiviert. Es waren gemischte Teams, also aus unterschiedlichen Ländern, und wir saßen da und haben hinterfragt „Wie gehen wir ins nächste Jahrzehnt?“ usw. Und das war sehr unbefriedigend, weil das Umfeld nicht gepasst hat. Also Untergeschoss: dunkel, kalt, sehr streng aufgestuhlt. Dann habe ich meinen Kollegen gefragt: „Was macht man denn bei euch in Spanien in der Mittagspause normalerweise?“ Also nicht was wir jetzt machen, wir hätten dann irgendeinen Befehl gehabt da oben, sondern was macht man eigentlich. „Normalerweise gehen wir in so kleine Restaurants, setzen uns draußen hin, trinken ein bisschen Wein und haben dann so 2-3 Stunden Mittagspause.“ Da habe ich gesagt „Ok, vielen Dank“, dann habe ich einen Cut gemacht und wir sind dann losgezogen mit der Intention, genauso ein Restaurant zu suchen und haben dann in diesen 2-3 Stunden eigentlich mehr Ideen entwickelt als am restlichen Tag. Was will ich damit sagen: Es ist extrem wichtig zu verstehen, wie Menschen funktionieren und Sie können Innovation nicht erzwingen. Sie können nicht sagen „Du musst jetzt kreativ sein“ oder „Du musst jetzt so und so sein“, sondern das Umfeld muss einfach passen. Und im normalen Meeting funktioniert das nicht. Man hat Zeitdruck, man ist vielleicht in einem normalen Meetingraum, dann kommt der Assistent oder die Assistentin herein und will irgendwas usw. Es ist ganz wichtig dieses Umfeld zu berücksichtigen. Wir z.B. fahren ab und zu mal in die Berge oder fahren zum Segeln und machen dann dort entsprechende Workshops. Wir gehen auch raus aus den Unternehmen, immer mit dem Ziel das Umfeld zu verändern. Und wenn Sie jetzt z.B. schauen wo Sie die besten Ideen haben, dann wahrscheinlich beim Spazierengehen, beim Joggen, beim Duschen, ja, völlig normal, denn Sie sind völlig relaxt und Sie haben ein anderes Umfeld, Sie sind nicht in so einem Behälter drin. Und was ich jetzt damit sagen will ist, dass wir auch beim Design Thinking dringend empfehlen auch hier das Umfeld anzupassen. Das kann man entweder als Pop-Up machen, also temporär, sprich für den Workshop, dass man eben diese ganzen Materialien besorgt wie Stellwände usw. oder man kann es entsprechend fix einrichten, also einen Kreativraum einrichten, der einfach da ist, wo die Mitarbeiter wissen „das ist unser Kreativraum, da arbeiten wir gerne“ und das sollte eigentlich wie ein Wohnzimmer eingerichtet sein. Wie ein Wohnzimmer, ein Spielzimmer etc. Ich habe das für einige Unternehmen auch schon gemacht, u.a. in der Schweiz. Als Beispiel: Wir hatten bei einem Unternehmen kein Budget, kein Geld um so etwas einzurichten und dann haben wir überlegt was wir jetzt machen. Wir brauchen ja wenigstens Tische und Stühle usw. Wir wollten keine Standard-Stühle nehmen, also haben wir uns überlegt eine E-Mail an alle Mitarbeiter zu schicken: „Wer einen Stuhl spenden will bekommt einen Kaffee“, so ungefähr. Und schon hatten wir dann 50 verschiedene Stühle dort. Es ist auch organisch gewachsen, wir hätten vielleicht auch etwas bestellen können aber erstens kein Budget und zweitens ist es zu langweilig. Und so kann man das auch entsprechend wachsen lassen, sodass jeder ein Teil des Projektes ist. Und das charmante ist, dass Sie die ganzen Dinge die Sie erarbeiten dort stehen und liegen lassen können. Das heißt Sie können dann, wie Sie vorher gesagt haben, wenn Sie begeistert sind und deshalb auch gerne arbeiten, vielleicht am Wochenende nochmal oder nach 8 Uhr abends nochmal arbeiten und dann gehen Sie da rein und arbeiten weiter. Klar, ein Tischkicker gehört dazu, das ist jetzt nichts Besonderes mehr, das ist jetzt irgendwie normal. Dann muss man schauen das man genug Getränke und Verpflegung hat, damit sich die Menschen wohlfühlen. Ich kann ja nicht erwarten das jemand Leistung bringt, wenn er sich nicht wohlfühlt, wenn er, ich überspitze jetzt, ausgehungert ist, Durst hat, genervt ist und mit Anzug und Krawatte dasitzt. Das sind die denkbar schlechtesten Voraussetzungen, damit jemand kreativ ist. Also muss ich die Leute abholen, das Umfeld schaffen, ihnen klar signalisieren „Hey, das ist unser Kreativraum, da können wir spinnen, da können wir machen, da können wir tun.“.
DL: In einem sterilen Büro ist es anders als wenn ich in einem Raum mit Pflanzen sitze und eine Küche um die Ecke habe. Bei uns ist es beispielsweise so, dass ziemlich viele Küchen vorhanden sind und da merkt man auch wieder die osmotische Kommunikation, wenn man vor der Kaffeemaschine steht und Leute sich unterhalten und man zuhört und etwas aufschnappt. Da nimmt man, so glaube ich, auch ziemlich viel mit was man so wenn die Abteilung A in ihrem Büro und Abteilung B in ihrem Büro sitzt sonst nicht kann und so denke ich auch, dass man funktionsübergreifend die Sachen weiterentwickeln kann, neue Ideen generieren kann.
DS: Ja, auf jeden Fall!
DL: Vielen Dank für Ihre Zeit und das tolle Gespräch.