Loyalität – was für ein schönes Wort. Klingt nach Vertrauen, Zusammenhalt, Kameradschaft.
Nach „Wir sitzen alle in einem Boot“ – und vergessen dabei, dass manche schon am Rudern sind, während andere am Steuer dösen.
Doch wie bei allen wohlklingenden Begriffen lauert auch hier ein Haken: Loyalität kann tödlich sein – zumindest für gesunden Menschenverstand und ehrliche Kommunikation.
Was ist Loyalität überhaupt?
Das deutsche Wort Loyalität stammt vom französischen Wort loyauté ab, das „Anständigkeit“ bedeutet. Die Wurzeln gehen zurück auf das lateinische Wort “lex”, was „Gesetz, Vorschrift, Gebot, Vertrag, Bedingung“ heißt. Wörtlich übersetzt bedeutet Loyalität also in etwa Gesetzestreue oder Treue gegenüber Regeln, Vereinbarungen oder einer Autorität.
Loyalität bedeutet in seiner ursprünglichen Form somit Gesetzestreue / Treue gegenüber einer Person, Institution oder einem Prinzip, die auf Verlässlichkeit basiert.
Romantisch betrachtet ist Loyalität eine Herzensangelegenheit. Sie bedeutet, jemandem verbunden zu sein, auch wenn es mal Gegenwind gibt. Echte Loyalität entsteht aus Vertrauen und Verlässlichkeit, nicht aus Angst.
Sie ist kein Vertrag, sondern ein stiller Handschlag: „Ich bin ehrlich zu dir, auch wenn es unbequem ist.“ Echte Loyalität ist wie ein guter Freund: Sie sagt dir, wenn du Spinat zwischen den Zähnen hast – auch wenn du gerade eine Vorstandspräsentation hältst.
Was ist falsch verstandene Loyalität?
Falsch verstandene Loyalität dagegen ist die Art Freund, die sagt:
„Nein, das Hemd sieht super aus!“
obwohl du aussiehst, als hättest du gegen eine Lavalampe verloren.
In Unternehmen äußert sich das so:
- „Ich sag lieber nichts, sonst gibt’s Ärger.“
- „Das haben wir schon immer so gemacht.“
- „Wenn der Chef das will, dann machen wir das halt.“
Falsch verstandene Loyalität ist also keine Tugend, sondern eine Tarnkappe – sie schützt vor Verantwortung, nicht vor Fehlern. Sie ist das politisch korrekte Synonym für Feigheit mit Gruppenzwangskomponente.
An dieser Stelle möchte ich den nachfolgenden Artikel in dem Buch: Braun, S., & Frey, D. (2017). “Narzissmus in Organisationen: Licht- und Schattenseiten narzisstischer Führungskräfte.” In: Schütz, A., & Greifeneder, R. (Hrsg.), Sozialpsychologie der Führung, empfehlen. In diesem Werk wird beschrieben, dass narzisstische Führungskräfte Kritik als Bedrohung erleben und Loyalität häufig mit persönlicher Zustimmung verwechseln
Warum sind hierarchische Strukturen besonders anfällig dafür?
Weil Hierarchien das ideale Biotop für falsch verstandene Loyalität sind – feuchtwarm, kontrolliert, mit wenig Licht und noch weniger Humor. Narzisstische Führungskräfte neigen dazu, Loyalität nicht als kritische Auseinandersetzung oder gemeinsame Verantwortung, sondern als Unterordnung, Bewunderung oder bedingungsloses Unterstützen zu sehen.
Der Artikel von Rosenthal, S. A., & Pittinsky, T. L. (2006). Narcissistic Leaders: The Good, the Bad, and the Ugly. The Leadership Quarterly, 17(6), hebt explizit hervor, dass narzisstische Führungskräfte Feedback und Widerspruch als Bedrohung für ihr Selbstbild erleben und daher eher auf Zustimmung als auf echten Dialog oder konstruktiven Diskurs setzen.
Falsch verstandene Loyalität tarnt sich als Harmonie – und ist in Wahrheit Konfliktvermeidung auf Firmenpapier. Sie schützt Macht, nicht Wahrheit. Und sie verwandelt Mitarbeitende in höfliche Zuschauer. Da wird Loyalität schnell mit bedingungsloser Gefolgschaft verwechselt.
Wer nickt, ist zuverlässig. Wer fragt, ist gefährlich. Wer widerspricht, ist illoyal. Das Ergebnis: Ein System voller Nicker – alle brav und synchron.
Warum ist das für Unternehmen schädlich?
Weil falsch verstandene Loyalität ein unsichtbarer Produktivitätsfresser erster Güteklasse ist. Sie blockiert Innovation, verzögert Entscheidungen und sorgt dafür, dass die wirklich klugen Ideen im Flurfunk enden – statt im Projektplan.
Falsch verstandene Loyalität ist wie eine Firmenpolitur: Alles glänzt nach außen, aber drunter rostet’s. Wenn niemand mehr wagt, die Wahrheit zu sagen, dann wird irgendwann auch das Dümmste zur Dienstanweisung. Und das ist teuer – sowohl in Euro als auch in Hirnzellen.
Wie könnte eine andere Zukunft aussehen?
In einer gesunden Organisation ist Loyalität keine Einbahnstraße nach oben, sondern ein Kreis. Sie gilt dem Zweck, nicht einer einzigen der Person.
In einer holokratischen Struktur zum Beispiel bist du loyal zu deiner Rolle, zu deiner Verantwortung, zu deiner Mission– nicht zu einem Chef, der in der Hierarchie über dir steht.
Dort darfst du sagen:
„Chef, das ist Unsinn.“
Und der Chef darf antworten:
„Danke, dass du’s sagst.“ oder “Lass mal hören, warum?”
So entsteht echte Loyalität: Nicht durch Angst, sondern durch Vertrauen und Verlässlichkeit. Nicht durch Schweigen, sondern durch Reden.
Empfehlungen:
- Schaffen Sie Streitkultur, nicht Schweigekultur.
Loyalität heißt, miteinander zu diskutieren, nicht übereinander zu lästern. - Belohnen Sie Ehrlichkeit, nicht Zustimmung.
Ein Widerspruch kann mehr Wert schaffen als zehn „Ja, Chef!“. - Trennen Sie Loyalität von Eitelkeit.
Ein Widerspruch ist kein Angriff – oft ist er ein Geschenk. Wer ehrlich seine Meinung sagt, zeigt damit nicht mangelnde Wertschätzung, sondern Vertrauen. Denn nur wer sich sicher fühlt, wagt es, dem Vorgesetzten offen zu widersprechen – in dem Wissen, dass er dafür nicht bestraft, sondern gehört wird.
- Verlagern Sie Loyalität vom Ich zum Wir.
Nicht: „Ich steh zu dir, Chef.“
Sondern: „Ich steh zu unserer Aufgabe.“
Und last but not least: Humor hilft.
Wer über sich selbst lachen kann, braucht keine falsche Loyalität mehr.






